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Depressionen verstehen – mit Depressionen leben

Dr. Valerija Sipos, Dr. Ulrich Schweiger

Dr. Valerija Sipos (Leitende Psychologin in der Erwachsenenpsychiatrie) und Dr. Ulrich Schweiger (Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin) stellen in ihrem Buch das vielfältige Spektrum der Erscheinungsbilder vor, in denen sich Depressionen äußern können. Daneben werden wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethoden dargestellt sowie Hilfestellungen für Notfallsituationen gegeben. Der Ratgeber soll Menschen helfen zu erkennen, ob sie an einer Depression erkrankt sind und welche Therapiemöglichkeiten für sie hilfreich sein könnten.
Mit seiner leicht verständlichen Sprache und der Verwendung konkreter Fallbeispiele richtet er sich sowohl an Betroffene als auch an Angehörige und Freunde und ist auch für Laien gut lesbar.

Herder Verlag 2020
222 Seiten

ISBN 9783451600401

 

Rezension des ehemaligen DDL-Mitglieds Mari Böhrk-Martin

Das Team Dr. Valerija Sipos (leitende Psychologin in der Erwachsenenpsychiatrie) und Dr. Ulrich Schweiger (Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin) hatte ich in den Jahren meiner aktiven Leitungstätigkeit in der TelefonSeelsorge Lübeck mehrfach für Vorträge und Workshops eingeladen. Jedesmal wieder war ich beeindruckt von der pädagogischen Kompetenz und Wertschätzung, mit der die beiden Wissenschaftler auch ehrenamtlichen Seelsorgern und Beraterinnen komplexe Krankheitsbilder nahezubringen vermochten. Diesen Geist atmet auch der vorliegende Ratgeber. Ja, es ist ein an medizinischer Evidenz orientiertes Sachbuch, aus dem auch Fachleute sicher Neues erfahren und interessante Anregungen für ihre eigene therapeutische Praxis bekommen dürften.

Aber es ist vor allem für uns, die wir von Depression selber betroffen sind, unsere Angehörigen und Freunde geschrieben: Das komplexe Krankheitsbild der Depression wird leicht verständlich und dennoch umfassend dargestellt (Depression als Notfall; die vielfältigen Formen und Gesichter einer Depression, Risikofaktoren; Kontext von Depression: chronischer Stress? Liebeskummer? Traumatische Ereignisse? und Wirkprinzipien: Was hilft?).

Doch was mich berührt und den Ratgeber für mich zu etwas Besonderem macht, ist die warmherzige Solidarität und Zugewandtheit, die aus seinen Zeilen spricht. Wie einst Scheherazade Geschichten erzählt hat, um die komplexe Vielfältigkeit der Welt und ihrer Möglichkeiten gegenwärtig zu machen und dadurch vielleicht ihren Kopf zu retten, wollen Sipos und Schweiger auch uns zahlreiche kleine „wahre Geschichten“ aus der Welt der Depressiven erzählen. Weil Geschichten das, was bei dieser Erkrankung passiert, erlebbar und emotional nachvollziehbar machen. Weil wir uns in ihnen spiegeln können, wie auch in den (manchmal verrückten, manchmal schlauen) Bewältigungsstrategien, die in ihnen angelegt sind.

Dabei geht das Therapeutenteam den interessanten Weg, sich weniger auf die klinischen, zu diagnostizierenden Symptome unseres Leidens zu konzentrieren, sondern auf das, was uns im schnöden Alltag immer wieder plagt: Die zuweilen schamhafte Vermeidung von bestimmten Dingen (Erlebnissen, Situationen, Emotionen), was uns aber immer mehr einschränkt; unsere zwischenmenschlichen Schwierigkeiten; die Nöte, die wir manchmal damit haben, nicht so genau zu wissen in welchem inneren Zustand wir gerade sind.

Überraschend warten die Verfasser damit auf, (so habe ich das noch nirgendwo anders gelesen) dass es bei etwa 60 Prozent (!) aller Menschen mit Depressionen wesentliche aversive Ereignisse, also Traumatisierungen im weiteren Sinne in der Vorgeschichte gibt, die vielfältige Effekte auf die seelische Gesundheit haben. In Folge nehmen Grübeln, sich sorgen und Bedrohungsmonitoring zu.

Klare Worte finden die Beiden zu Entstehungstheorien (nichts Genaues weiß man nicht) und Einsichten in die Wirkmechanismen von Antidepressiva („haben im Mittel nur kleine Effektstärken)“. Ernüchternd, aber hilfreich.

Sehr dezidierte Tipps und Übungen, was man schon mal selber tun kann vor und neben aller Therapie, und Hilfestellungen, sich mit den unterschiedlichen Fachärzten, Therapieangeboten und professionellen Settings zurechtzufinden, runden den Ratgeber ab.

Mari Böhrk-Martin, Pastorin u. Leiterin der TelefonSeelsorge Lübeck i. R

 

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