Die Deutsche DepressionsLiga e.V. (DDL) übergibt heute eine Petition mit fast 100.000 Unterschriften für eine Reduzierung der Wartezeiten auf Psychotherapieplätze an den Gesundheitsausschuss und warnt vor unhaltbarem Zustand.
Bonn/Berlin, 10. Oktober 2022 – Im Laufe eines Jahres erkranken in Deutschland über fünf Millionen Menschen an der Volkskrankheit Depression (1). Während der Corona- Pandemie hat sich diese Zahl drastisch erhöht. Isolation, Ängste und Sorgen gehen an die
seelische Substanz. Allein im ersten Pandemiejahr stiegen die Fälle von Depressionen und Angststörungen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) global um 25 Prozent (2).
Insbesondere Kinder und Jugendliche litten unter der mentalen Belastung der vergangenen Jahre. Forschende des Universitätsklinikums Essen beobachteten eine dreifache Zunahme der Suizidversuche bei Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren während des zweiten
Corona-Lockdowns Ende 2020 (3). Suizidalität und Depressionen hängen dabei sehr eng zusammen: Neun von zehn Menschen, die Selbstmord verüben, leiden an einer psychiatrischen Erkrankung wie einer Depression.
Besonders tragisch dabei ist, dass Depressionen, im Gegensatz zu anderen schweren Erkrankungen, grundsätzlich gut behandelbar sind, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Auf einen Therapieplatz muss man allerdings lange warten. Im Durchschnitt 22 Wochen, also ca.
fünf Monate (4).
Die Deutsche DepressionsLiga (DDL), die einzige bundesweit aktive Patientenvertretung für an Depressionen erkrankte Menschen, hat deshalb eine Petition ins Leben gerufen, in der sie die Bundesregierung dazu auffordert, die psychotherapeutische Bedarfsplanung zu reformieren und die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen deutlich zu verbessern, um Leben zu retten.
Die Petition, die in nur wenigen Wochen fast 100.000 Unterschriften generiert hat, wird heute, am Welttag für psychische Gesundheit, an Dr. Kirsten Kappert-Gonther, stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, übergeben.
Petitionsstarter Armin Rösl, stellvertretender Vorsitzender und Sprecher der DDL, erklärt:
„Kein Wunder, dass diese Petition in kurzer Zeit so viel Zuspruch erhalten hat. Monatelanges Warten auf einen Psychotherapieplatz kann schnell lebensgefährlich werden. Dieser Zustand ist unhaltbar. Wir brauchen endlich eine Reform der Bedarfsplanung und weiterer
Änderungen wie eine Erleichterung für Betroffene bei der Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Nur so können die Wartezeiten reduziert werden.“
Zu den prominenten Unterstützer*Innen der Kampagne zählen Influencer Lars Tönsfeuerborn, die Schauspielerinnen Sandra Quadflieg und Suzan Anbeh sowie Schauspieler Lars Pape, die Musikerin und DDL-Botschafterin Marie-Luise Gunst sowie Komiker und Schirmherr der DDL Torsten Sträter. Er findet die Situation so nicht hinnehmbar:
„In Deutschland dauert die durchschnittliche Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz 22 Wochen. Das ist schon für gesunde Leute lang. Für Menschen mit einer psychischen Erkrankung ist es eine buchstäbliche Ewigkeit.“
Ebenfalls unterstützt wird die Petition von der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV). „Vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen müssen zusätzliche Kassensitze geschaffen werden, um die Versorgung zu verbessern“, sagt DPtVBundesvorsitzender Gebhard Hentschel. (https://www.dptv.de/aktuelles/meldung/22wochenwarten-petition-zu-wartezeiten/)
In den vergangenen Wochen hat die Deutsche DepressionsLiga durch die Kampagne #22WochenWarten auf die Petition aufmerksam gemacht – unter anderem mit sichtbaren Straßenkunst-Aktionen und Projektionen in Berlin. Die Kampagne macht anschaulich wie
schwer warten ist – selbst ohne Depression.
Den Anfang machte Waltraud Rinke, Vorsitzende der DDL, beim Deutschen Patientenkongress Depression in Frankfurt am Main am 4. Juni 2022. Dort begann sie ihre Keynote-Rede vor über 1000 Besuchern in der Alten Oper mit einem symbolischen 22-sekündigen Schweigen. Ein Statement, das Wellen schlug.
Auch in den sozialen Medien machten Influencer*Innen sowie Gruppierungen, Organisationen und Prominente auf die langen Therapiewartezeiten aufmerksam. Einige ließen ihre Community (Followerschaft) sogar symbolisch in Instagram-Stories 22 Sekunden
warten – eine kurze Zeitspanne, die sich jedoch wie eine Ewigkeit anfühlt.
Die Deutsche DepressionsLiga erhofft sich durch die öffentliche Aufmerksamkeit, dass Betroffene zeitnah die Hilfe bekommen, die sie dringend brauchen, und so Leben gerettet werden. Mit der Übergabe der Petition an den Gesundheitsausschuss des Bundestages endet die Aktion allerdings nicht. Die DDL wird sich auch zukünftig für das Thema einsetzen – solange, bis Wartezeiten von mehreren Monaten der Vergangenheit angehören. Die Petition bleibt während der bundesweiten Woche der Seelischen Gesundheit (10. bis 20. Oktober) geöffnet und kann noch bis zum 20. Oktober unterzeichnet werden: https://www.change.org/22WochenWarten
Mit freundlichen Grüßen
Armin Rösl
Stellv. Vorsitzender und Öffentlichkeitsbeauftragter
Telefon: 07144-70489-60
E-Mail: a.roesl@depressionsliga.de
Die Pressemitteilung zum Download als PDF.
1 https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression/haeufigkeit
2 https://www.who.int/news/item/02-03-2022-covid-19-pandemic-triggers-25-increase-in-prevalence-of-anxiety-and-depression-worldwide#:~:text=In%20the%20first%20year%20of
3 https://www.mdpi.com/2227-9067/9/3/363
4 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/120474/Psychotherapie-Fragen-fuer-eine-gerechte-Versorgung