Kea von Garnier
Bereits mit zwölf Jahren begibt sich Kea von Garnier das erste Mal in Therapie. Sie leidet unter Depression und Angststörungen. In „Die Vögel singen auch bei Regen“ beschreibt sie, wie sie lernt mit ihnen zu leben und wie sie als junger Mensch ihren Weg mit ihrer Diagnose findet. Dabei nimmt von Garnier die Leser*innen mit, sowohl auf die Suche nach der richtigen Diagnose als auch zu den verschiedenen Therapieansätzen, die ihr geholfen haben. Mit ihrem Buch macht sie vielen Menschen Mut und zeigt, dass es sich lohnt, durchzuhalten.
Eden Books 2020
240 Seiten
ISBN 9783959102544
Rezension von DDL-Mitglied Uwe Kretschmer
„Die Frau muss gar nix. Die macht was sie will.“
„Wie soll man den Mut finden trotz all der Angst zu leben?“ „Man findet ihn nicht auf einmal, man findet ihn immer nur einen Tag nach dem anderen.“
Kea von Garnier hat fast alles schon mal gehabt, außer ein Leben ohne psychische Erkankung(en). Depressionen, Ängste, Depersonaliesierung, Borderline, Reizdarm, Anorexie, Beziehungssucht und Panikattacken und Selbstmordgedanken. Schon Ihre Eltern waren oft psychisch krank. Doch es scheint Ihr völlig fern zu liegen, deshalb nicht sehr gerne zu leben. Oder wie sie sagt: „In meinem Fall geht es um ein Trotzdem“.Trotzdem findet sie die Kraft ein unglaubliches Buch zu schreiben. Ein Buch das strotzt vor Kraft, das aufklärt und bestärkt.
Dieses wunderbare Buch verzichtet vollständig auf Versprechungen und falschen Hoffnungen. Es ist heftig, weil es ehrlich ist. Manches ist so heftig, dass die Kapitel von der Autorin mit Triggerwarnungen versehen wurden.* Es handelt sich um eine Biografie, die beschreibt, die ein Beispiel gibt ohne ein Vorbild sein zu wollen. Schonungslos erzählt sie aus Ihrem Leben, dass immer mitbestimmt ist von psychischen Krankheiten. Verschwindet die eine kommt die nächste. Aufgeben ist dabei keine Option. Dass Menschen mit psychische Erkrankungen eben mehr und nicht weniger Kraft für Ihr Leben aufbringen müssen – ist eine der vielen herausgearbeiteten Paradoxien, die dieses Buch für alle Menschen die es lesen zu einem Gewinn machen kann. Die Autorin bleibt immer bei sich, doch sehr viele Menschen werden sich oder andere (nahe) Menschen in sehr vielem wiedererkennen. Menschen jedoch, die ihr ein erstes Mal draußen begegnen, würden von alldem nichts merken: „Wir lächeln obwohl wir traurig sind. “Wir haben gelernt unsere letzten Kräfte darauf zu verbrauchen, dass keine:r merkt wie krank wir sind. Was uns tröstet ist, dass wir nicht nur Schlechtes, sondern auch Schönes so viel stärker zu empfinden scheinen als andere. Diese Beschreibungen sind einige von vielen Momenten, wo dieses Buch eine Sprache für die vielen, in ihrer Krankheit Verstummten, findet. Dieses Buch macht viel Mut, weil es keine Vorwürfe an niemanden macht, auch nicht an die Betroffene(n) selbst.
Die Autorin teilt zudem ihre Erkenntnis, dass es keine Lösung ist aus vermeintlicher Vernunft seine Träume schon unversucht zu begraben. Anstatt Schriftstellerin zu werden, wird sie Grafikdesignerin, statt einem Buch macht sie einen Master, statt Literatur macht sie Werbung. Was viele erleichtert seufzend als Vernunft wahrnehmen, entpuppt sich als Sackgasse auf ihrem Weg zum Glück. Diesen Weg hinter sich zu lassen und nicht mehr über Ihre Krankheit(en) zu schweigen, sind das kleine Happy-End dieses Buches. Aus bleibt die Erkenntnis, dass psychische Krankheiten restlos überwindbar wären, jede*r Betroffene weiß, dass dem meist nicht so ist. Viel wertvoller ist und verbleibt jedoch Keas‘ Erkenntnis, dass ein Leben mit psychischen Erkrankungen genauso liebenswert ist wie jedes andere, und somit auch die Menschen die darunter leiden, genauso liebenswert sind wie alle anderen auch.
Dieses Buch ist eine ewig lange viel zu kalte Dusche, aus der man dann verfroren aber gestärkt, wach und mutig heraustreten kann.
* Triggerwarnungen: Hinweise auf Themen die Menschen individuell überfordern können, wie z.B: Selbstverletzung oder Suizidgedanken. Ein ehrliches Buch über psychische Krankheit, wird immer Themen ansprechen die nicht jede*r verkraften kann, denn schliesslich handelt es originär von Dingen die kaum zu verkraften sind. Deshalb sollt dieses Buch, wenn dann, mit besonderer (Selbst-)Achtsamkeit gelesen werden.