Zitronengesichter. Eine autobiographische Graphic Novel über Depressionen

Anika Westermann

Anika Westermann verarbeitet in dieser Graphic Novel ihre Erfahrungen in einer psychosomatischen Klinik. Sie hält zeichnerisch die Zeit vor, während und nach ihrem Klinikaufenthalt fest. Westermann hatte zuvor keinerlei therapeutische Erfahrung und selbst viele Vorurteile. In ihren Bildern zeigt sie, wie sich die Depressionen für sie anfühlten, wie es ihr in der psychosomatischen Klinik erging, welche inneren Prozesse im Verlauf ihrer Therapie passierten und welchen Stigmata man als Erkrankte:r ausgesetzt ist. Im Verlauf ihrer Behandlung hatte Anika Westermann sehr viele Aha-Momente. Mit dieser Graphic Novel möchte Anika Westermann Vorurteile abbauen und betroffene Menschen ermutigen, sich Hilfe zu suchen.

Marta Press 2023
76 Seiten

ISBN 978-3-96837-006-4

 

Rezension von DDL-Mitglied Mechthild Strahler 

Meine Welt wurde wieder bunter… Ich fand wieder zum Malen. Mit Bildern konnte ich das ausdrücken, wofür mir die Worte fehlten.

Ich darf hier die autobiografische Graphic Novel über Depressionen der Autorin Anika Westermann rezensieren.

Bereits das Cover ist sehr kreativ gestaltet und optisch ansprechend. Es erinnert auf den ersten Blick an die Vereinsfarben eines Fußballvereins. Auf den zweiten Blick ist dann jedoch zu erkennen, es geht um Depressionen. Die Farbgebung ist sehr treffend gewählt. Vom Dunkel ins Helle.

Schon nach den ersten zwei Seiten hat es mich gepackt, ich konnte es nicht mehr weglegen. Ich finde mich und meine Leidensgeschichte darin wieder. Die Zeichnungen sind auf den ersten Seiten noch grau in grau gehalten. Die Texte zu den einzelnen Zeichnungen sind kurz, knapp und verständlich und das bleibt im ganzen Buch so. Sie schildern Anikas Weg von vor der Diagnosestellung, über den Klinikaufenthalt bis hin zum „was kommt dann?“ Anika hat eine schwere Depression.

Sie geht in die Klinik. Ab hier kommt tatsächlich ein wenig Farbe in die Zeichnungen, die jedoch vorwiegend immer noch grau in grau gehalten sind. Auch hier bleiben die Texte kurz, knapp und knackig. Überhaupt ist das ganze Buch sehr kurzweilig, und auch wenn keine Lust da ist, die Texte zu lesen, sind die Bilder allein schon sehr aussagekräftig. Ich finde das sehr gut, weil auch in akuten Phasen einer Depression nicht immer die Lust oder Kraft da ist, Texte zu lesen – da sprechen dann die Bilder für sich.

 

Zu Anfang ihres Klinikaufenthaltes denkt die Autorin noch, sechs Wochen und dann bin ich gesund. Hoffnung macht sich in den Bildern breit. Wir wissen alle, dem ist oft nicht so. Doch es gibt eben diese Hoffnung.

Nach der Aufnahme in die Klinik kommt in den Zeichnungen das erste Mal dieses sonnige, schöne Zitronengelb daher. Es suggeriert dem Leser sofort Hoffnung, Licht, Hilfe. Sie selbst sieht sich und ihr Umfeld noch grau in grau und beschreibt ihre Angst. Sie hat Zweifel, ob sie dort richtig ist und hat Probleme mit dem Ankommen.

Dann geht es los mit der Therapie. Bei den Mitpatienten erkennt sie recht bald, sie tragen genau wie sie eine Rüstung. Anika gewinnt erste neue Einsichten und findet ihren Ort zum Durchatmen in der Natur. Schon nach der ersten Woche in der Klinik wird alles etwas bunter. Der Klinikaufenthalt wird durch feste Zeiten, Rituale, Medikamente und Therapien bald zum Alltag.

Von Woche zu Woche wird das Leben für Anika bunter. Das Leben „draußen“ verblasst zusehends. Sie beginnt zu vertrauen und ihre Krankheit zu akzeptieren. Während der Therapien kann sie sich ausprobieren und entdeckt alte Hobbys neu. Darunter auch das Malen. Sie kann in Bildern ausdrücken, wofür ihr die Worte fehlen.

Das Malen war der Durchbruch zu Anikas nächstem Heilungsschritt. Auch wenn es plötzlich nicht mehr weitergeht, eine Art Rückschlag kommt, steckt trotzdem eine Lektion dahinter. Anika versteht es, diese anzunehmen. Die Bilder sind nach wie vor bunt und Anika erkennt, dass sie in der Klinik von ihren Mitmenschen so angenommen wird, wie sie ist. Sie muss nichts beweisen. Es ist wie ein Zuhause. Im weiteren Verlauf des Klinikaufenthaltes machen ihr plötzlich die Therapien richtig Spaß. Sie lernt, sich selbst und ihre Gefühle zu lesen.

Die Entlassung rückt näher. Viele Baustellen tun sich auf. Therapeutenmangel und Versagensängste „draußen“ sind einige davon. Vor der Entlassung kommt Anika an den Punkt, an dem sie Antidepressiva ausprobieren möchte. Sie sollen ihr den Weg erleichtern, und sie helfen ihr tatsächlich. Sie will jedoch nicht nach „draußen“.

Es hilft nichts, sie wird gehen müssen. Ihre neuen Freunde sind bereits entlassen und auf einem Abschiedsfoto festgehalten. Sie fühlt sich plötzlich auch nicht mehr so wohl in der Klinik, weil ihre Mitpatienten auch nicht mehr da sind. Der Abschied vom Therapeuten fällt ihr ebenfalls schwer.

Zu Hause angekommen, scheint es zunächst so, als ob die Probleme sie erdrücken wollten. So bleibt es jedoch nicht. Es wird von Zeit zu Zeit besser und viele Baustellen erledigen sich.

Ihre Message an alle: Ihr seid nicht allein! Es gibt Hilfe! Dunkel und hell geben sich die Hand.

Mein Fazit: Dieses Buch ist sehr gelungen und unbedingt zu empfehlen. Es ist für Betroffene, auch schon im Jugendalter, hilfreich und ebenso für Angehörige und alle Menschen, die sich für diese schlimme, manchmal tödliche Erkrankung, interessieren.

Auch ich als Betroffene finde mich an sehr vielen Stellen dieses Buches wieder. Es wird den Lesern aufgezeigt, wie es gelingen kann, mit dieser Erkrankung zu (über)leben. Es ist nicht aussichtslos, sondern es gibt sie, die Wege „Zurück ins Leben“.

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