Wortlos – Mit Schweigen überlebt

Stefan Fritz

„Über 40 Jahre meines Lebens habe ich mich anders gefühlt. Falsch, nicht dazu gehörig, fremd, unsicher, dunkel, manches mal ängstlich, depressiv. Oft WORTLOS und zurückgezogen, nur oberflächlich am Leben teilnehmend. Ohne wirklich zu wissen warum. Ich dachte immer, das sei normal und ginge allen Menschen so. Alkohol und Essstörungen, ständige Dramen, Krankheiten und Unfälle. Nach fast 20 Jahren Ehe folgt ein Zusammenbruch und Ausstieg aus dem gewohnten, alten Leben. Jobwechsel, Trennung und komplettes Umfeld geändert. Eine neue Liebe entsteht und plötzlich kommen Gefühle hoch, die noch nie da waren – jedoch nicht nur Gute.“

tradition (eBook) 2022
177 Seiten 
ISBN 9783347607545

 

Rezension von DDL-Mitglied Mechthild Strahler 

„Lass uns zusammen die Welt jeden Tag ein bisschen friedvoller und authentischer machen, indem wir bei uns selbst mit der Veränderung anfangen, die wir uns von den anderen so sehr wünschen.“ (Auszug aus dem Buch)

Das Vorwort von Isabelle Dobmann bringt es auf den Punkt. Offenheit, Mut und bedingungslose Liebe zum Detail sind der Weg in die Lebensgeschichte von Stefan Fritz. Er öffnet dem Leser Raum für eigene Erinnerungen und schmerzhafte Momente, die ins Bewusstsein gerufen werden und verarbeitet werden können. Auch mich hat dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite „Wortlos“ gemacht. Zwar habe ich für mich persönlich schon den Weg zu Liebe und Heilung gefunden (sonst könnte ich dieses Buch nicht rezensieren). Es wird viele Leserinnen und Leser abholen und mitnehmen auf eine ganz besondere Reise, wenn sie es können und wollen.

Die Wochen um den 42. Geburtstag sollten die drastische Wendung im Leben von Stefan Fritz bringen.

Aufgewachsen ist Stefan in großer Armut in einer Kleinstadt in Oberhessen als sechstes Kind. Er wurde 1971 geboren. Die Eltern leben immer am Rande des Existenzminimums. Der Vater ist von Beruf Handelsvertreter und von daher nur an den Wochenenden zuhause. Die Mutter ist Hausfrau, ständig überfordert und irgendwie immer schwanger. Das Elternhaus ist geprägt von vom Glauben an Gott und strengen moralischen Normen der katholischen Kirche. Schon nach dem vierten Kind wird von weiteren Schwangerschaften abgeraten. Eine angeratene Operation wird von der Mutter jedoch im Vertrauen auf Gott abgelehnt.

Die Kindheit war aus heutiger Sicht nicht schön für Stefan und seine Geschwister. Als Stefan geboren wird, verlässt wenige Wochen später sein ältester Bruder das Haus, um Abitur an einem Internat in Bayern zu machen, sein zweitältester Bruder zwei Jahre später. Stefan wächst also mit drei älteren Geschwistern und mehr oder weniger ohne Vater auf. Im Alter von sieben Jahren fängt er das Rauchen an. Er ist rebellisch, hat viele Unfälle. Schokolade und später viel Alkohol helfen ihm, einigermaßen durch die Jugend und später durch seine Ehe und das Berufsleben. Als sein erstes Kind geboren wurde, hatte er ein Gefühl, welches er nicht so richtig benennen konnte. Erst Jahre später wusste er, dieses Gefühl nennt sich „Liebe.“

Ich möchte nicht weiter auf die vielen einzelnen Kapitel dieses wunderbar geschriebenen Buches eingehen, da ich zu viel „spoilern“ müsste, damit Sie verstehen, was ich meine. Stefan wird irgendwann klar, dass mit ihm, mit seinem Leben irgendwas nicht richtig läuft und fasst eines Tages einen Entschluss. Es ist eine Entscheidung, die sein Leben verändern wird. Endlich. Zum Glück ist er noch nicht so kaputt, er sieht die Chance und ergreift sie. Ganz langsam fängt er an zu reflektieren, Fragen zu stellen und er bekommt Antworten. Letztlich auch darauf, warum er nicht „Nein“ sagen konnte.

Stefan geht zurück, bis in die Kindheit und analysiert sein ganzes Leben, zieht daraus Erkenntnisse, die er heute nach weiteren Ausbildungen an Menschen weitergeben kann und er hat nach einem steinigen Weg seine Profession und seine große Liebe gefunden. Ich kann dieses, auch für mich erkenntnisbringende Buch sehr empfehlen. Sie sollten dafür jedoch gefestigt sein und die u. a. Triggerwarnung unbedingt beachten. Es handelt sich bei diesem Buch um keine „leichte Kost“.

Triggerwarnung:
Literatur über psychische Krankheiten werden immer Themen ansprechen, die nicht jede*r verkraften kann, denn schließlich handelt es sich um Dinge, die manchmal kaum zu verkraften sind. Deshalb sollte dieses Buch mit besonderer Achtsamkeit gelesen werden.

Mit einer speziellen Technik ist es dem Autor gelungen, eine Erinnerung an seinen frühen sexuellen Missbrauch aus seinem tiefen Unterbewusstsein ans Licht zu bringen. Das ist ein ziemlich brutaler Text (Aussage vom Autor), den der Leser im Kapitel 10 – Seelenschreiben – vorfindet. Daher, bitte überlegen Sie genau, bevor Sie dieses Kapitel lesen, ob Sie das wirklich möchten und ob Sie psychisch stabil genug dafür sind. Es ist durchaus möglich, dass die Zeilen eine auslösende Wirkung auf Sie haben. Sorgen Sie für sich selbst!

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