22 Wochen Warten – Jeder Tag ist einer zu viel!
Niemand wartet gerne. Ob an der Supermarktkasse oder an der Ampel. Stellen Sie sich vor, Sie warten 22 Wochen auf einen Psychotherapieplatz. Denn das ist aktuell die durchschnittliche Wartezeit. 22 lange Wochen, in denen der Leidensdruck bei Betroffenen enorm wachsen kann. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, nicht länger zu warten, und endlich etwas zu verändern.
Warum wir nicht länger warten wollen
Lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz sind nicht die Ausnahme, sondern die Norm. Wir wissen, was das für Betroffene und deren Angehörige bedeutet: Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Resignation. Das Warten ist kräftezehrend und manchmal sogar lebensgefährlich.
Mit der Aktion „#22WochenWarten“ wollen wir auf dieses lebenswichtige Thema aufmerksam machen, damit das Warten endlich ein Ende hat.
Damit sich die Situation in Deutschland endlich ändert und die Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz reduziert werden, haben wir uns mit einem offenen Brief in Form einer Petition an die Bundesregierung gewendet. Dieser wurde – mit über 100.000 Unterschriften von change.org – an den Bundesgesundheitsausschuss überreicht.
DL-Mitglied Sarah Louven erklärt #22WochenWarten
Street-Art-Aktion in Berlin!
„Du wartest 5 Minuten, andere 22 Wochen“ – im September 2022 konnte man in ganz Berlin Street Graffiti mit dieser und ähnlichen Botschaften finden. Und zwar überall dort, wo gewartet wird: vom Hauptbahnhof, Konnopke’s Imbiss und Zulassungsstelle bis hin zum Rosenthaler Platz, Reichstag und Berghain, wo sich am Wochenende schon mal kilometerlange Schlangen bilden.
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Erkrankungen der Seele werden in unserer Gesellschaft noch immer nicht ernst genommen und akzeptiert. Wir wissen, was das für Betroffene und deren Angehörige bedeutet.
Deswegen stärken wir Betroffene und setzen uns für ihre Rechte ein. Wir kämpfen gegen Stigmata und für den Abbau von gesellschaftlichen Vorurteilen und Barrieren. Wir verlangen die Berücksichtigung psychischer Grundbedürfnisse in der Gesellschaft. Wir fordern eine angemessene gesundheitliche Versorgung und Unterstützung. Wir beraten Fachleute und Entscheidungsträger.
Und nicht zuletzt ermutigen wir Betroffene zu einem achtsamen Umgang mit sich selbst.
Engagieren Sie sich gemeinsam mit uns.
Digitales Wartezimmer – Geschichten von Betroffenen
Ich war viel zu krank, um mich selber um einen Platz zu kümmern. Wir wohnen in einer kleinen Stadt, und da gibt es wenig Möglichkeiten. Mein Mann hat dann telefoniert. Eine Therapeutin in der Nähe war telefonisch erreichbar. Ich kam auf die Liste, 9 Monate Wartezeit! Viele sind telefonisch nicht erreichbar, nehmen keine Patienten mehr an oder gehen erst gar nicht ans Telefon. Die Klinik war dann meine einzige Möglichkeit. Dort habe ich eine Ärztin kennen gelernt, die eine Praxis aufmachen wollte. Wartezeit 7 Monate!
Ich verspüre Verzweiflung, aber auch Wut über diese mangelhafte Situation, auf einen Therapieplatz immer wieder warten zu müssen. Dieses Jahr konnte mir trotz eines PTV 11-Formulars mit Vermittlungscode im Umkreis von 150km kein Termin über die Kassenärztlichen Bundesvereinigung angezeigt werden. Und ich wohne zwischen Großstädten! Irgendwann erhält man zwar Hilfe, aber es muss sich dringend etwas an den Wartezeiten ändern. Momentan gibt mir meine Selbsthilfegruppe sehr viel Halt.
Ich hab alle Therapeut:innen in der Stadt in der ich damals lebte und Umgebung abtelefoniert. Letztendlich hab ich keinen Termin erhalten oder war auf Wartelisten. Ich hab mich dann dazu entschieden meine Therapie selbst zu zahlen. Das hab ich zwei Jahre gemacht. Nach meinem Umzug nach Hannover ging das Spiel von vorne los. Warteliste oder voll. Ich hatte dann Glück und bekam die Nummer von einer Therapeutin, die sich neu niederließ und noch Patient:innen aufnahm.
Mein Name ist Pascal, 27 „ewiger Student“ der Leistungsdruck der Gesellschaft hat mich immer weiter angetrieben. Nie war etwas gut genug. Jeder Erfolg einen Dreck wert. So lange bis der einzig beruhigende Gedanke eine Flucht in Selbstmordgedanken war. Ich erkannte, dass das nicht normal sein kann. Als ich fragte ob man hier erst vom Dach springen muss um Hilfe zu bekommen, wurde mir geholfen. Soweit sollte man nicht gehen müssen.
Ich arbeite mit Menschen mit psychischer Diagnose. Ich bin total müde und hilflos, motivierte Menschen zu sehen, die an ihren Situation was ändern wollen und Ihnen zu sagen “Es wird schwer einen Platz zu finden”. Ich sehe wie sie trotz intensivster Suche von Woche zu Woche resignieren. Frustrierend!
Im April 2021 beginne ich meine Suche. Unzählige Telefonnate und einige Erstgespräche mit dem selben Ergebnis, wir haben keine freien Therapieplätze. Am 5. Oktober 2021 endet der Leidensdruck im Schlaganfall. Ich habe dann einen Platz gefunden und aus einer anfänglichen Akutbehandlung wurde eine Langzeittherapie bei der für mich besten Therpeutin.
Mein bisschen Energie habe ich darauf verwendet, erreichbare Therapeuten zu finden, einen Plan zu erstellen, wann sie telefonisch erreichbar sind und dann jeden Tag mindestens einen anzurufen. Mehr Absagen konnte ich nicht ertragen, ich fühlte mich persönlich abgelehnt Nach vier Wochen hatte ich zwei Erstgespräche und dann einen Platz acht Wochen später. Glück gehabt, scheint mir… (Wartelisten führte kein einziger).
Ich suche jetzt seit einem Jahr nach einer Psychotherapie, von August 2021 bis August 2022. Es ist superfrustrierend. Es sind einfach keine Plätze frei. Ich kann schon nicht mehr zählen, wie viele Therapeuten ich angerufen und angeschrieben habe. Habe eine Posttraumatische Belastungsstörung mit erheblichen Einschränkungen meiner Lebensqualität und finde einfach keine Hilfe. Jedes Mal wird es schwerer, sich wieder zum nächsten Telefonat aufzuraffen. Für mich ist das mittlerweile eine Katastrophe.
Meine letzte Psychotherapieplatzsuche in Kiel dauerte ein Jahr. Nach etlichen erfolglosen, frustrierenden Anrufen gelang ich über Umwege (116117 Erstgespräch -> Empfehlungsschreiben -> Überweisung Hausarzt) auf die Warteliste eines Ambulanzzentrums. Insgesamt sind jedoch 5 Jahre und mehrere Umzüge vergangen seit meine letzte Therapeutin aufgrund meines damaligen ADHS Verdachts die Therapie abbrach.
Nach einem schweren Unfall mit Folgeschäden hatte ich PTBS & Depressionen, wollte es als Mann nicht wahrhaben. Monatelang sagte ich mir: „du schaffst das, gib nicht auf“, dann der Zusammenbruch, nichts ging mehr, ich brauchte Hilfe. Die Antwort nach einem dutzend Telefonaten? „Ich kann Ihnen in 8 Monaten einen Probetermin anbieten.“
Die Wartezeit brachte mich noch mehr ins Grübeln. Wirke ich glaubwürdig depressiv? Ich bin doch (noch) „arbeitsfähig“. Reicht es, um die Notwendigkeit einer Therapie zu begründen? Wie soll eine DiGA das überbrücken, wenn ich keinen Antrieb habe, das Programm zu starten? Das Verstecken und weiter funktionieren ist einfach so kräftezehrend.
Im Jahr 2017 bin ich in eine tiefe Depression gerutscht, dazu kamen Ängste, Panikattacken und vieles mehr. Ich war Innerhalb 1 1/2 Jahren in 3 Kliniken und eine davon war eine Akutklinik. Nur durch die Klinik in Dahn bekam ich einen ambulanten Therapie Platz. Ein Therapeut der Klinik gab mir einen Platz, nach über 1 Jahr. Ich fuhr alle 2 Wochen 1 Stunde hin, hatte Therapie und fuhr eine Stunde zurück. Jetzt habe ich eine Selbsthilfegruppe gegründet und versuche anderen und mir selbst zu helfen. Durchschnittlich 22 Wochen warten damit man Hilfe bekommt sind untragbar.
Die Situation ist auch für mich, als niedergelassene Psychotherapeutin kaum zu ertragen. Zu wissen, da meldet sich ein Mensch, der Hilfe braucht; zu wissen, ich könnte helfen, bin aber mehr als ausgelastet. Es muss sich dringend etwas ändern!!!
Ich wollte nach einer kurzen Pause wieder zu meinem bisherigen Psychologen/Psychotherapeuten, aber der hatte meinen Platz bereits wieder besetzt. Mir blieb nichts übrig, als zu einer Heilpraktikerin für Psychotherapie zu gehen und die Stunden selbst zu bezahlen. Ein gutes hat es: Ich habe bei ihr in der kurzen Zeit mehr gelernt als in der schulmedizinischen Therapie.
Im Oktober 2021 war ich dem Tod näher als dem Leben. Ich war schwerst an Depressionen erkrankt, hatte bereits alles für meinen Suizid geplant. Meine Ärztin hat mich rechtzeitig abgefangen und eingewiesen. Seit damals suche ich einen Therapieplatz (50km Umkreis). Erfolglos. Selbst schwerst, lebensbedrohlich Erkrankte, bekommen aktuell keine ambulante Anbindung. Es ist frustrierend und beängstigend. Ich bin aktuell stabil. Aber wie lange? Wer wird mich abfangen, wenn ich die nächste schwere Episode habe? Mir mein Hirn wieder einredet, die Welt wäre ohne mich besser dran?
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