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Depressionen und Zwänge in der Schwangerschaft

Anonym, aus Respekt meines wundervollen Kindes gegenüber

Trigger Warnung: Das hier ist ein Schwangerschaftsbericht einer Person, die eine Zwangserkrankung und Depressionen hat und sehr ehrlich über ihre Erfahrung spricht. Obwohl er schwangeren Personen Trost und Hoffnung spenden soll, könnte er triggern. Falls dir das Thema nicht guttun könnte, solltest du nicht weiterlesen, bei potenziellen Triggern das Lesen stoppen oder nur den letzten Abschnitt lesen.

Ich wusste, dass man in einer Schwangerschaft nicht nur gute Erfahrungen machen würde, und dass einige Phasen schmerzhaft und anstrengend sein können. Das Kind ist ein geplantes Wunschkind, ich war jung, körperlich gesund, mitten im Leben mit finanzieller Sicherheit und einem tollen Partner. Ich bin aber auch schon sehr viele Jahre seelisch krank, habe Depressionen und eine Zwangserkrankung. Dass die nächsten 9 Monate nahezu unerträglich für mich werden würden, wusste ich dann noch nicht.

Ich hielt morgens den positiven Schwangerschaftstest in der Hand und war total perplex darüber, dass es so schnell geklappt hatte. Am dritten Tag meiner mir bewussten Schwangerschaft las ich in einer Schwangerschafts-App etwas über Lebensmittel, die man in der Schwangerschaft meiden sollte. Obwohl ich im Vorfeld natürlich schon gut informiert war, stellte ich fest, dass ich gar nicht alles wissen konnte. Wie ein Blitz schoss mir ein Gefühl von Panik durch den ganzen Körper – ich hatte vor ein paar Tagen ein Lebensmittel gegessen, was potenziell gesundheitsschädlich war. Potenziell hieß das bei meiner Zwangserkrankung einfach nur: „Ich habe meinem Kind geschadet. 100 %. Und ich bin schuld daran. Mein Baby wird ein furchtbares Leben haben, und bis an mein Lebensende würde ich diese Last mit mir tragen.“

Mein Mann machte sich keine Sorgen, redete gut auf mich ein, versuchte mich aufzubauen, während ich stundenlang weinte. In den folgenden Wochen und Monaten musste ich durch meine Zwangserkrankung leider die Erfahrung machen, dass ich täglich neue Trigger bekam, die erst gemildert wurden, als ich einen Kontrolltermin beim Frauenarzt hatte oder ein neuer Trigger den anderen in den Hintergrund gerückt hatte – ein Teufelskreis, aus dem ich einfach nicht herauskam und der mich wie einen Strudel immer weiter in den Abgrund sog.

Ich rutschte in eine Depression. Ich kannte sowohl Zwänge als auch Depressionen schon seit so vielen Jahren, aber mit dem Wissen, dass in mir ein kleiner Mensch heranwuchs, drückte diese Depression noch eine große Portion Schuldgefühle auf mich. Ich war unglücklich, obwohl ich allen Grund zur Freude hätte haben sollen. Jeden Tag wachte ich mit dem Wunsch auf, dass mein Tag bitte schnell vorüber gehen sollte und dass es meinem Kind gut ging. Ich war nur in Sorge um dieses kleine Wesen, obwohl es nie Auffälligkeiten gab und es mir körperlich gut ging. Ich hatte es jetzt schon so lieb und wollte krampfhaft alles daransetzen, mich nie potenziellen Gefahren auszusetzen. Ich wollte dieses Kind so sehr, aber scheinbar wollte ich einfach nicht schwanger sein.

Ich hatte keine normalen Ängste, wie es jede schwangere Person mal erlebt – es war alles um ein Vielfaches übertrieben. Ein Beispiel dafür war, dass ich mich sozial sehr zurückzog, aus Angst, jemand könnte mich mit irgendeiner Krankheit anstecken. Oder dass ich kaum noch normalem Essen vertrauen konnte. Gemüse und Obst zu gründlich zu waschen, dauerte bei mir überdurchschnittlich viele Minuten, weil ich Angst hatte, dass auf der Schale Erreger oder Parasiten sein könnten.

Ich versuchte, mit Psychotherapie gegen meine mentalen Probleme anzugehen. Ich sprach offen mit meinem Frauenarzt über die Thematik. Meine Psyche brauchte meine ganze Energie auf und auch mein resilienter Partner konnte nur bedingt helfen. Mein seelischer Akku war oft leer oder lief mit Notstrom. Keine Achtsamkeitsübung, Beratungsstelle, Bewegung, Tapetenwechsel, Selbsthilfegruppe oder Meditation konnte mir langfristig helfen, sondern half immer nur meinen Zustand für einen kurzen Zeitraum zu verbessern.

Überhaupt nicht geholfen hat der Austausch mit anderen Schwangeren, denn wenn ich hörte, wie Frau XY ihre Schwangerschaft genoss, wurde ich nur traurig. Ich löschte jeden aus meinen sozialen Medien, der irgendwas über Babys oder Schwangerschaft postete. Entweder es triggerte mich, weil ich wie bei den Lebensmitteln das Gefühl hatte, meinem Kind zu schaden, oder ich wurde einfach traurig über die Tatsache, dass ich mich wohl insgesamt 9 Monate quälen werden würde. Während andere Frauen in hübschen Klamotten Schwangerschaftsfotos machten, wollte ich die Zeit, in der mein kleines Baby in mir heranwuchs, einfach nur hinter mich bringen und nicht dokumentieren. Ich versank in Selbstmitleid – warum waren alle so glücklich? Andere Schwangere und mein ganzes Umfeld, die sich auf mein Kind so freuten, platzten vor Freude. Ich wollte diese Freude spüren, aber stattdessen fühlte sich nahezu jeder Tag nur dunkel an.

Auch wenn es falsch ist das zu behaupten, hätte ich gerne die körperlichen Beschwerden von anderen Frauen gehabt – dieses seelische bleischwere Gespenst in meinem Kopf saugte mich so leer, dass ich teilweise komplett meinen Antrieb verlor und ratlos darüber war, wie ich es durch die Schwangerschaft schaffen sollte. Die ganze Zeit wollte ich nur, dass es meinem Baby gut ging, und zeitgleich schleppte ich das schlechte Gewissen mit, dass mein Kind etwas von meinem Leid mitbekommen könnte. Zwischendurch dachte ich an eine Klinik, entschied mich aber doch dagegen.

Diese Schwangerschaft fühlte sich an, als würde sie Jahre dauern. Ich hoffte inständig darauf, dass das Kind vielleicht ein paar Tage eher als zum errechneten Termin auf die Welt kam, damit ich diese Zeit endlich hinter mir lassen konnte. Nach 9 Monaten würde ich letztlich an zwei Händen abzählen können, wie viele Tage ich in der gesamten Schwangerschaft nicht geweint hatte. Vor der Geburt hatte ich keine Angst, sondern sie war einfach mein Ziel nach diesem langen Weg. Selbst ein paar Stunden vor der Geburt hatte ich noch Zwangsgedanken, die mich viel mehr beschäftigten als Wehen. Mir waren Schmerzen, Verletzungen etc. komplett egal, und tatsächlich half zumindest diese Einstellung durch die Geburt an sich.

Mir war schon früh bewusst, dass ich nicht stillen möchte, und so war es für mich auch nach dem Wochenbett möglich, angstlösende und antidepressive Medikamente einzunehmen. Das ist zwar immer ein schwieriges und kontroverses Thema, aber mir persönlich hat es geholfen.

 

Wie geht es mir nun, nachdem die Schwangerschaft länger hinter mir liegt?

 

Mir geht es heute sehr gut, und ich brauche meines Erachtens noch Zeit, Therapie und meine Selbsthilfegruppe, um meine Schwangerschaft aufzuarbeiten. Es ist schon komisch, wenn Leute mich fragen, wie meine Schwangerschaft verlaufen sei und man im Affekt „gut“ antwortet, weil ich körperlich fast beschwerdefrei war. Dabei ging es mir nicht gut – es war sogar vielleicht die bislang härteste Zeit meines Lebens. Heute, wenn ich diesen Bericht hier schreibe, bin ich tatsächlich glücklich und platze vor Liebe für mein Kind. Ich habe es durch therapeutische, soziale und medikamentöse Unterstützung und nicht zuletzt durch meine wunderbare kleine Familie geschafft, dass ich gerade so gut wie symptomfrei bin. Ich fürchtete erst nach der Geburt, dass sich meine Ängste und Depressionen weiterziehen oder ich von einer Wochenbettdepression betroffen sein würde. Meine Befürchtung wurde aber nicht war. Ich hatte die ersten Wochen noch Anlaufschwierigkeiten, aber von dort an bis heute bereichert dieses Kind mein Leben, so wie es sein soll. Ich habe eine sinnvolle Aufgabe, platze vor Stolz und glaube auch fest daran: Dieses Kind hat einfach bisher in meinem Leben gefehlt, um volle Glückseligkeit erfahren zu können.

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