Von Sarah Louven
Seit Tagen ist es draußen grau und regnerisch. Diese blöde Erkältung geht nicht weg. Momentan läuft mein Projekt auf der Arbeit nicht gut. Ich habe mich mit einem Freund zerstritten und der Nachbar hat mich neulich richtig angemault, nur weil er zwei Pakete für mich angenommen hat. Alles andere als erfreuliche Umstände, oder? Es könnte ja durchaus besser laufen. Und dann kommt salopp der Satz: „Ich bin deshalb gerade richtig depressiv!“. Deshalb?
Das Problem dieser Aussage ist für viele Menschen, die sich schonmal mit einer Depression beschäftigen mussten, offensichtlich. Für andere Menschen jedoch ruft dieser Satz keine größere Bedeutung hervor – und genau da liegt auch das Problem.
Die Wörter „Depression“ und „depressiv“ sind in diesem Kontext völlig unangebracht. Eine oft verniedlichte Variante, nämlich „depri“ zu sein, ist ebenso absurd wie eine willkürliche Nutzung von Wörtern, die ernste Diagnosen bezeichnen. Zu oft werden in der Gesellschaft und nicht zuletzt auch in den sozialen Medien Depressionen als etwas betitelt, was man einfach so daher sagen kann, wenn es im Leben mal nicht so läuft. Der negative Effekt davon ist, dass die Bedeutung einer Depression in einem saloppen Gespräch gemildert wird. Eine ernsthafte Diagnose, die im Jahr 2022 laut AOK-Gesundheitsatlas knapp 9,5 Millionen Menschen in Deutschland erhalten haben. Eine Verharmlosung führt gesellschaftlich dazu, dass an Depression Erkrankte und ihr Leid runtergeredet und stigmatisiert werden.
Das sind also dann Menschen, die eine erdrückende Traurigkeit erleben. Menschen, die den Sinn ihres Lebens zeitweise nicht vor Augen haben. Menschen, die so niedergeschlagen sind, dass sie sich wie gelähmt fühlen und einfachste Dinge, wie aufzustehen, nur schwer bewältigen können. In einem Beitrag unserer Rubrik „Lichtblicke“ schreibt ein Mitglied zum Thema: „Und noch heute sage ich, die Depression war schlimmer als die Krebserkrankung“. Dieses Zitat verdeutlicht die unvorstellbare Bürde dieser Erkrankung. Es gibt Menschen, die sich für ihre Diagnose vielleicht schämen, weil die Außenwelt sie als „faul“ und „schlecht gelaunt“ abstempelt. Es sind aber schlichtweg Menschen, die Hilfe brauchen, weil sie krank sind. Ihnen ist nicht einfach eine Laus über die Leber gelaufen!
In einer Zeit, wo Betroffene und auch Angehörige von Menschen mit einer depressiven Erkrankung um Therapiemöglichkeiten kämpfen müssen, ist es umso wichtiger, genau diesen Menschen ein offenes Ohr und Aufmerksamkeit zu bieten. Das letzte, was sie neben der Last der Depression gebrauchen können, sind Außenstehende, die diese verharmlosen.
Bereits im November 2022 veröffentlichte der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Depressionsliga, Armin Rösl, eine Stellungahme zum Thema Depression in den sozialen Medien. Darin wird u.a. thematisiert, dass NutzerInnen mit großer Reichweite sich ihrer Verantwortung bewusst sein müssen, wenn sie einem großen Publikum das Thema Depression oder auch andere psychische Krankheiten vermitteln. Die Gefahr, dass Follower sich falsche Selbstdiagnosen geben können, weil ihr Idol zu einseitig und unvollständig über Depressionen spricht, ist hoch. Genauso wird in der Stellungnahme die Problematik herausgestellt, dass manche InfluencerInnen eine ernste Erkrankung zugunsten ihrer Marketingzwecke nutzen würden. Leider passiert es häufig, dass auch hier die Menschen mit Aussagen über psychische Erkrankungen nur so um sich werfen und dabei vergessen, dass mit der Nutzung von Begriffen wie „depressiv“ eine Verantwortung einhergeht. Wird das Thema falsch dargestellt, führt dies zwangsläufig auch zu einer Verstärkung von Stigmata.
Hiermit nicht gemeint sind die bekannten Gesichter aus Film, Fernsehen und weiteren Medien, die den Mut und die Offenheit besitzen und über ihren eigenen Umgang mit der Diagnose Depression sprechen. Prominente Beispiele sind DDL-Schirmherr Torsten Sträter, DDL-Botschafterin Katty Salié, Stefanie Giesinger und international Stars wie Lady Gaga, Jim Carrey, Selena Gomez. Diese Personen geben durch ihre Statements ein gewisses Empowerment und zeigen einem breiten Publikum auf, was diese Erkrankung bedeutet, wie sie sich auswirken kann und wie man individuell damit umgeht.
Also: Sollte jemand in einer Unterhaltung über schlechtes Wetter den Begriff „depressiv“ nutzen, dann korrigiert sie und weist freundlich darauf hin, dass es sich um eine schwere Erkrankung handelt und bietet die passenden Alternativen an. Das Wetter schlägt aufs Gemüt, macht schlechte Laune oder ist einfach kacke.